Mit 84 Jahren beendet Richard Stangl seine Karriere als Tischtennisspieler.

34 Jahre war er für die TT-Abteilung des TSV Fridolfing aktiv, davor in Kay und beim beinahe schon legendären TTC Törring. Besuch bei einem Mann mit Sinn für Kontinuität – im Leben, im Beruf und an der grünen Platte.

Man sieht ihm die 84 Jahre nicht an. „Tischtennis hält jung“, meint Richard Stangl, „das ganze Drumherum im Verein, mit den Jugendspielern, den mittelalten, den älteren. In der vergangenen Saison traten wir mal mit einem Nachwuchsspieler an. In welcher Sportart spielen schon ein 15jähriger und ein 83jähriger in der gleichen Mannschaft?“

Richard kommt am 11.5.1935 in einem Dorf im Böhmerwald zur Welt, einige Kilometer nordöstlich von Zelezná Ruda, dem früheren Markt Eisenstein. Nach der Vertreibung im Mai 1945 erreichen Mutter und Sohn Stangl – der Vater war 1942 gefallen – jenen Ort, an dem sie Wurzeln schlagen werden: die damals noch selbstständige Gemeinde Törring. Nach der 7. Klasse war in Bayern damals „die Schulpflicht erfüllt“, wie es hieß, obwohl der junge Richard sicher die Realschule oder das Gymnasium geschafft hätte. Aber wo das Geld zum Leben fehlt, ist Schulgeld Illusion. Er beginnt im nahen Wiesmühl eine Schreinerlehre und findet bald eine Anstellung bei der Schreinerei Huber in Törring, der er bis zum Beginn der Rente (1997) treu bleiben wird.

Am 23. Februar 1968 gründet sich der Tischtennisclub (TTC) Törring e. V. – ein eher ungewöhnliches Ereignis in der heimatlichen Sportgeschichte, denn überall sonst waren die Tischtennisspieler in den örtlichen Sportvereinen integriert. Der Lehrer Martin Sedlbauer wird zum 1. Vorsitzenden gewählt, Max Wagner zu seinem Stellvertreter. Schriftführer ist Leonhard Hollay, der ein blitzsauberes „Vereinsbuch“ mit Protokollen, Fotos und Zeitungsausschnitten anlegt. Das Gründungsprotokoll vermerkt streng: „Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass das Spielen nur mit Turnschuhen oder barfuß erlaubt ist.“

Der Wirtssaal z'Törring ist ein bald ebenso beliebter wie gefürchteter Spiel- und Trainingsort – trüb beleuchtet und im Winter ungeheizt. Die Bewegung hilft – und wer immer noch friert, wärmt sich nachher unten in der geheizten Gaststube auf, gerne auch innerlich.

Rasch stellen sich erste Erfolge ein. Poetisch überschreibt die Heimatzeitung den Bericht über den Pokalsieg gegen Trostberg II in der Tischtenniskreisliga Chiem-Ruperti: „Nach einem Jahr Spielzeit kam schon das Glück“.

Lange Fahrten, lange Nächte ... In der 2. Bezirksliga SüdInn gehören 1974/1975 u. a. Kiefersfelden, Kolbermoor, Bad Aibling und Berchtesgaden zu den Gegnern von Törring I.

Mit der neuen Turnhalle im Nachbarort Kay bekommt der Wirtssaal 1976/77 Konkurrenz: Dort gibt es Heizung, Duschen und mehr Platz für die Platten. Sieben Jahre lang spielt Richard Stangl für den TSV Kay und bildet sich in mehreren Lehrgängen fort, sodass er schließlich als Oberschiedsrichter in der Landesliga eingesetzt werden kann. Da kommt er weit herum und erlebt u.a. den Höhenflug der Tischtennisdamen des TSV Tittmoning mit. „Ball auf den Handteller legen und mindestens 15cm in die Luft werfen – so beginnt ein regelkonformer Aufschlag. In höheren Ligen wird streng darauf geachtet.“

1985 wechselt Richard Stangl zum TSV Fridolfing. Franz Ikerna aus Kirchanschöring wird zum Freund und Kameraden – ein kleiner Mann aus Mähren, der jeden Sieg mit einem Jodler feiert, was vor allem jene jungen Hupfer beschämt, die zuvor dachten, den Opa da husten wir doch von der Platte ... Richard spielt im Laufe der Jahre in der Ersten, Zweiten, Dritten und Vierten Mannschaft: Dienstag und Freitag Training oder ein Punktspiel irgendwo zwischen Schnaitsee und Schönau. Jugendspieler tauchen auf und ziehen an ihm vorbei, manche Talente verglühen wie Silvesterraketen.

Seine größten Erfolge erzielt er im Seniorenalter: Auf Kreisebene wird er mindestens ein Dutzendmal mit wechselnden Partnern Seniorenmeister in der Doppelkonkurrenz der D-Klasse. Auch den Einzeltitel gewinnt er einmal.

2011 und 2013 werden ihm neue Kniegelenke eingesetzt. Nur wenige Wochen danach steht Richard schon wieder an der Platte, mit 76 bzw. 78 Jahren. Bei den Vereinsmeisterschaften 2017 wird er, inzwischen 81, mit Partner Günther Pallauf Meister im Doppel.

Vor der Saison 2018/2019 will Richard Stangl aufhören, lässt sich dann aber überreden, noch ein Jahr dranzuhängen, weil die Vierte Mannschaft ihn einfach braucht, diesen Claudio Pizarro des Inn-Salzach-Pingpongs. „Aber jetzt“, meint er im Frühjahr 2019, „jetzt ist Schluss. Man muss wissen, wann man aufhört.“  

Zum Training wird er sicher noch gelegentlich erscheinen – und wenn der Mannschaftsführer anruft „Mensch, Richard, mir fehlt heute Abend der vierte Mann ...“

Wer weiß?